Mechanismen der Gewalt

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Frankfurter Kunstverein: Mechanismen der GewaltUnter dem Titel Mechanismen der Gewalt zeigt der Frankfurter Kunstverein eine Doppelausstellung mit ausgewählten Arbeiten der guatemaltekischen Performancekünstlerin Regina José Galindo und des italienischen Bildhauers Arcangelo Sassolino. In unterschiedlichen Themenfeldern verortet und durch verschiedene Praktiken gekennzeichnet, loten beide Künstler die Grenzen der Kunst und die Beschäftigung mit der Frage nach ihrer Rolle in unserer Gesellschaft aus. Sie verweigern sich dabei einer Reduktion auf einen rein symbolischen Raum und konfrontieren ihre konzeptionellen Ideen mit sozialen oder materiellen Realitäten. Die Auswirkungen von physischer Gewalt und Machtverhältnissen auf den Körper, sowohl auf den individuellen also auch auf den sozialen, sind ein zentrales Thema der kompromisslosen Performances von Galindo. Die eingesetzten Materialien in den Skulpturen von Sassolino werden durch mechanische und hydraulische Kräfte an die Grenzen ihrer Widerstandsfähigkeit gebracht bis hin zu ihrer möglichen Freisetzung und dem damit verbundene Risiko der Zerstörung. Mechanismen der Macht ist die erste umfassende Ausstellung der beiden Künstler in einer deutschen Institution. Speziell für diesen Anlass haben beide Künstler jeweils eine neue Arbeit konzipiert: die Performance „Secreto de Estado“ von Regina José Galindo am Abend der Eröffnung und die Skulptur „Purgatory“ von Arcangelo Sassolino.

Mechanismen der Gewalt: Kunst kritisch und politisch

Ausgangsmaterial für die Werke von Regina José Galindo ist ihr eigener Körper, den sie in einer kritischen und politischen Weise einsetzt. Auf Fotos und Videos dokumentiert, setzt sie sich während ihrer Performances physisch und psychisch extremen Situationen aus. Regina José Galindo beschäftigte sich in den ersten Jahren ihres Schaffens vor allem mit dem sozialpolitischen Kontext in ihrem Heimatland Guatemala, einem Land das durch jahrelangen Bürgerkrieg und darauf folgender politischer Instabilität geprägt ist. Davon ausgehend untersucht Galindo in den folgenden Jahren in ihren Werken universelle ethische Auswirkungen von sozialer Ungerechtigkeit, Diskriminierung oder Missständen, die durch ungleiche Machtverhältnisse hervorgerufen werden. In deutlichen Bildern spricht sie existenzielle Grenzerfahrungen wie Gewalt und Macht, Leben und Tod sowie Verlust und Trauer an. Ein Schwerpunkt der politisch motivierten Kunst Galindos ist ihr Kampf für Frauen, die beginnend mit der gewaltsamen Phase des Bürgerkriegs in Guatemala vermehrt Opfer von Gewaltverbrechen geworden sind. Sie setzt ihren Leib stellvertretend für die Körper dieser Frauen ein und macht so die Auswirkungen politischer Gewalt durch Machtstrukturen in ihren Werken erfahrbar. Die Ausstellung Mechanismen der Gewalt zeigt sowohl aktuelle Arbeiten als auch eine bedeutsame Auswahl von Werken der Künstlerin aus den vergangenen fünfzehn Jahren. Zudem realisiert Regina José Galindo am 18. Februar, am Abend der Eröffnung, die Performance „Secreto de Estado” (Staatsgeheimnis), die sie speziell für den Frankfurter Kunstverein entwickelt hat. Co-Kurator der Ausstellung ist Eugenio Viola, Kurator am MADRE, Museo d’Arte Contemporanea Donnaregina, Napoli.

Regina José Galindo

Regina José Galindo wurde 1974 in Guatemala-Stadt geboren, wo sie lebt und arbeitet. Sie nahm teil an der 49. (2001), der 51. (2005), der 53. (2009) und der 54. Biennale in Venedig, Italien (2011) sowie an der 10. Sharjah Biennale, Vereinigte Arabische Emirate (2011), der 31. Pontevedra Biennale, Spanien (2010), der 17. Sydney Biennale, Australien (2010), der 10. Havanna Biennale, Kuba (2009), der 2. Moskau Biennale, Russland (2007), der 3. Auckland Triennale, Neuseeland (2007), der 4. Valencia Biennale, Spanien (2007), der 2. Prager Biennale, Tschechien (2005), der 3. Tirana Biennale, Albanien (2005) und der 3. Lima Biennale, Peru (2002). Sie erhielt den Goldenen Löwen der 51. Biennale in Venedig im Jahr 2005 in der Kategorie junger Künstler. Galindos Werk ist in zahlreichen bedeutenden Sammlungen zu sehen wie dem Centre Georges Pompidou, Paris, Frankreich, dem Solomon R. Guggenheim Museum, New York, USA, dem Castello di Rivoli – Museum of Contemporary Art, Turin, Italien, der Daros Latinamerica Collection, Zürich, Schweiz, dem Blanton Museum of Art, Austin, USA, dem Museum of Contemporary Art, San José, Costa Rica, dem Pérez Miami Art Museum und der Cisneros Fontanals Collection, beide in Miami, USA.

Arcangelo Sassolino

Arcangelo Sassolino erschafft mechanisch präzise Skulpturen und Installationen mit hoher Materialdichte. Für seine raumgreifenden Arbeiten verwendet er industrielle Materialien wie Stahl, Glas oder Beton und bringt diese an die Grenzen ihrer Widerstandsfähigkeit. Unter Einwirkung von extremen Kräften oder gewaltigen Spannungen werden die Materialien bis an ihre Belastungsgrenzen gebracht. In laborähnlichen Versuchsanordnungen wirken mechanische Kräfte in verschiedenen Intervallen und Stufen des Verharrens und der Intensität, welche die Form der Skulpturen verändern, bis hin zu einem Wendepunkt der plötzlichen Zerstörung und des Lärms. Den Veränderungsprozess einerseits genau kalkulierend, überlässt Sassolino andererseits einen Teil der Formfindung immer auch der Beschaffenheit der Materialien. Seine Skulpturen und Installationen implizieren immer die Möglichkeit von Kontrollverlust und Zusammenbruch, sollten die in den Werken enthaltenen Kräfte plötzlich freigesetzt werden. Dieses Spiel mit Gefahr und Spannung wird zu einem elementaren Bestandteil seiner Kunstwerke und beeinflusst die Wahrnehmung des Betrachters. Im Frankfurter Kunstverein werden vier Werke präsentiert, die einen Einblick in das künstlerische Werk von Arcangelo Sassolino geben. Für die Ausstellung realisierte der Künstler seine neue Arbeit „Purgatory“. Arcangelo Sassolino wurde 1967 in Vicenza, Italien, geboren, wo er lebt und arbeitet. Die Liste seiner Einzelausstellungen umfasst Präsentationen im Contemporary Art Museum, St. Louis, USA (2016), im MACRO Museum, Rom, Italien (2011), im Palais de Tokyo, Paris, Frankreich (2008). Er verwirklichte Projekte im öffentlichen Raum im Rahmen des Z33 House for Contemporary Art in Hasselt, Belgien (2010) sowie im Kontext von „Art and The City” in Zürich, Schweiz (2012). Sassolinos Arbeiten wurden in einer Reihe von Gruppenausstellungen gezeigt, darunter Ausstellungen im 104, Paris, Frankreich (2015), im Centro di Cultura Contemporanea Strozzina, Florenz, Italien (2012, 2010), im Swiss Institute, New York, USA (2011), Museum Tinguely, Basel, Schweiz (2010), im Autocenter, Berlin, Deutschland (2009), in der Peggy Guggenheim Collection, Venedig, Italien (2009), im Dunkers Kulturhus, Helsingborg, Schweden (2008), im FRAC, Reims, Frankreich (2007) und im ZKM, Karlsruhe, Deutschland (2004).

Red.: LLL/SR/Frankfurter Kunstverein
Foto: Norbert Miguletz/Frankfurter Kunstverein

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