Zirkus Zarakali: Interview mit Koordinatorin Nadja Menke

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Zirkus Zarakali: Interview mit Koordinatorin Nadja Menke

Die KKF-Auszeichnung gilt Institutionen, die sich durch ihr besonderes Engagement für Kulturvermittlung an Kinder und Jugendliche hervortun. Frau Menke, wie würden Sie das Ziel Ihrer Arbeit im Zirkus Zarakali zusammenfassen?

Zum einen geht es darum, den Spaß an der Bewegung und Körperlichkeit zu wecken und zu entwickeln. Wir beginnen mit gymnastischen Übungen am Boden und arbeiten uns dann über das Seil bis zum Trapez in die Luft vor. Das läuft unter dem Motto „Erfahrungswelt Körper“. Zum anderen findet das Training gemeinsam in der Gruppe statt. Kinder lernen hier den Mikrokosmos „Zusammenarbeit“ intensiv kennen: Wie bringe ich mich ein? Wie funktioniert Austausch und Reibung ohne Aggression? Es geht um Gemeinsamkeit, Solidarität und darum, gegenseitiges Vertrauen zu lernen und für einander Verantwortung zu übernehmen.

Was unterscheidet diese Arbeit vom Angebot der Sportvereine?

In Sportvereinen geht es um den Wettkampf, diesen haben wir hier nicht. Wir präsentieren Gelerntes vor einem wohlwollenden Publikum und die Kinder werden mit Applaus belohnt. Während im Wettkampf nur einer beziehungsweise nur eine Gruppe gewinnt, gewinnen hier alle.

Und wie organisieren Sie sich?

Wir haben ein festes Organisationsteam von sechs Mitarbeitern, das alle Arbeitsfelder abdeckt, vom Pädagogen bis hin zum Zeltmeister, der für Technik und Aufbauten verantwortlich ist. Zusätzlich arbeiten 15 Leute als freie Trainer, die rund 120 Kinder nachmittags betreuen. Diese Kinder sind für das Kinderzirkus-Programm fest angemeldet und kommen zweimal pro Woche. Herauszuheben ist, dass der Zirkus seit der Gründung inklusiv und altersübergreifend arbeitet. Unser Angebot steht allen Kindern zur Verfügung, die am Zirkustraining Interesse haben – egal mit welchen Voraussetzungen sie kommen. Nach dem Motto „Zirkus für alle“ – von sechs bis 18 Jahren – arbeitet Zarakali auch mit dem Club Behinderter und ihrer Freunde, dem CeBeeF, zusammen und bietet in Kooperation Ferienworkshops an.

Wie haben Sie es geschafft, so eine Einrichtung auf die Beine zu stellen?

Gegründet haben wir den Zirkus Zarakali 2000. Wir waren erst mal ein Jahr ehrenamtlich mit mobilen Workshops in der Stadt Frankfurt unterwegs, bis wir das Liegenschaftsamt und die Parteien durch die große Resonanz auf unsere Arbeit mit den Kindern, davon überzeugen
konnten, uns ein festes Zirkusgelände zur Verfügung zu stellen. Das war 2002, und angefangen haben wir mit vier Mitarbeitern, von denen noch Jasmin Wendnagel, Detlef Wörner und ich übrig sind. Die damalige Unterstützung und Teilförderung trägt heute bei weitem nicht mehr, da wir mit der dreifachen Menge an Kindern arbeiten.

Haben Sie die Zirkusidee damals selbst entwickelt?

Ja und nein. In Frankfurt war die Idee neu. Aber in den achtziger Jahren hatte es solche Projekte schon in anderen Städten gegeben. Seitdem wächst die Bewegung, Zirkus und pädagogische Arbeit mit Kindern gezielte zu kombinieren, ständig.
Unterscheiden Sie sich vom klassischen Familienzirkus, wie er heute für Veranstaltungen gebucht werden kann?
Durchaus. Wir machen eine ausschließlich Kind-bezogene Arbeit, auch ohne den Einsatz von Tieren. Unser Vorbild war „Der chaotisch bunte Wanderzirkus Cabuwazi“, ein Verein, der heute allein in Berlin sechs Standorte hält, wobei dort auch Erwachsenenbildung betrieben wird, was wir nicht tun.

Wie gestalten Sie Ihr Programm?

Jedes Jahr ermöglichen wir den Kindern vier große Sommerworkshops, drei Jugendzirkus-Veranstaltungen und einen Workshop mit einer Ergebnispräsentation um Weihnachten herum. Ziel ist es, dass die Kinder den Zirkus in seiner Ganzheit und sich selbst begreifen lernen. Der öffentliche Termin dient in erster Linie der Transparenz für die Familien und gibt den Kindern die Möglichkeit, ihr Erlerntes zu präsentieren und das Selbstbewusstsein zu stärken. Unter „Ganzheit“ versteht der Zirkus alle Genres der Zirkuspräsentation.

Hat Zarakali ein spezielles Einzugsgebiet und wie sprechen Sie die Kinder an?

Wir haben eine große Bandbreite und sind für alle Kinder zugänglich, die dann je nach familiärem Hintergrund Unterschiedliches in unsere Arbeit einbringen. Wir arbeiten mit Schulen und Kindergärten zusammen und bieten außerdem in unserem Viertel zwischen Dornbusch und Ginnheim die Möglichkeit, mittags im Anschluss an Schule und Kindergarten Programme wahrzunehmen. Gerade die Einrichtungen an Ort und Stelle halfen uns, auch Zirkus-unerfahrenen Eltern die Schwellenangst zu nehmen. Zwischenzeitlich richtet sich das Angebot an alle Kinder Frankfurts und des Umlands.

Arbeiten Sie mit Partnern zusammen?

Wir sind immer auf der Suche nach Bündnispartnern, mit denen wir kooperieren können. Networking ist überlebenswichtig. 2006 haben wir die „Bundesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik“ mit gegründet, die wir weiterhin bekannt machen wollen.

Ist das eines Ihrer persönlichen Anliegen?

Mir ist tatsächlich wichtig, dass Zirkuspädagogik, die man in Frankreich und in den Niederlanden schon studieren kann, auch in Deutschland als anerkanntes Fach etabliert wird, da das Training die körperliche und geistige Entwicklung junger Menschen nachgewiesenermaßen positiv beeinflusst. Ich habe selbst drei Kinder, die hier mitmachen.

Gibt es auch näher liegende Ziele?

Als nächstes erwarten wir bauliche Veränderungen auf dem Zirkusgelände, die im Herbst 2016 beginnen und unser Areal weiterentwickeln. Auch träumen wir von einem neuen Zelt und wenn wir die Mittel hätten, würden wir unser Anleiterteam aufstocken. Doch generell wünsche ich mir, dass sozialer Einsatz größere Anerkennung findet. – Umso mehr freuen wir uns, den Berg-Berndt-Preis entgegennehmen zu dürfen!

Die Fragen stellte Dr. Claudia Müller-Proskar vom Kuratorium Kulturelles Frankfurt e.V.

Foto: Zarakali

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