Zur Person: Christiane Röttger praktiziert seit 14 Jahren Ismakogie, ist seit 9 Jahren Ismakogielehrerin und inzwischen in der Aus- und Fortbildung für IsmakogielehrerInnen tätig. Seit 2013 ist sie Vorsitzende der Deutschen Ismakogie Gesellschaft e.V., einem gemeinnützigen Verein, dem deutschlandweit IsmakogielehrerInnen angehören.
Inzwischen ist sie beruflich ausschließlich in Sachen Ismakogie tätig, gibt Kurse an verschiedenen Einrichtungen sowie privat, macht betriebliche Fortbildungen und setzt sich sehr aktiv – zumeist ehrenamtlich – für die Verbreitung der Haltungs- und Bewegungsmethode ein. Ein neuer Schwerpunkt des Vereins wird in Zukunft die Ausbildung neuer IsmakogielehrerInnen sein.
LLL: Frau Röttger, Sie beschäftigen sich nun schon seit vielen Jahren mit der ISMAKOGIE. Worin bestehen die Vorteile dieser alternativen Methode im Vergleich zu anderen Methoden?
CR:Es gibt heutzutage eine Vielzahl an Möglichkeiten, etwas für seinen Körper zu tun. Ismakogie ist eine davon, sie eine alternative Methode zu nennen, gefällt mir nur im Sinne von: Ismakogie stellt eine echte Alternative dar! Die Menschen sind sehr verschieden, genauso verschieden sind daher auch die Wege die sie gehen oder die Hilfsmittel, die sie wählen, um sich mit dem eigenen Körper zu beschäftigen. Ich würde sagen, Ismakogie entspricht in jeder Hinsicht den Bedürfnissen der heutigen Zeit. Jeder möchte gesund und fit sein, jugendlich wirken und sich auch so fühlen. Das alles aber mit möglichst wenig
(Zeit-)Aufwand erreichen. Die Methode Ismakogie bietet da einen Weg unter dem Motto: „Bewusst Bewegen im täglichen Leben“: Alltagshandlungen leichter und effizienter zu gestalten, damit den täglichen Anforderungen besser gewachsen zu sein, sein Lebensumfeld zum Üben zu nutzen. Es geht nicht darum, zu einer bestimmten Zeit bestimmte Übungen zu machen – außer in der Lernphase. Ziel ist viel mehr, der Anatomie folgend den Körper zu benutzen und damit keinen weiteren Verschleiß an Gelenken zu erzeugen. Es geht also “ans Eingemachte“, d.h. an unsere Haltungs- und Bewegungsmuster. Man kommt dabei nicht ins Schwitzen, benötigt weder einen besonderen Ort oder spezielle Kleidung und ist öfter am Tag ganz bei sich. Ismakogie hilft also, den eigenen Körper intensiver wahrzunehmen, mit ihm und sich selbst in Kontakt zu kommen, auch das ist uns in der heutigen Zeit mehr oder weniger abhanden gekommen. Das heißt, neben all den positiven körperlichen Vorzügen, sorge ich auch auf geistig/seelischer Ebene für mich, und zwar immer und überall, sei es im Beruf, häuslichen Umfeld, beim Sport, in der Freizeit.
Zu meinen KursteilnehmerInnen sage ich immer: wir haben einen Schatz, ein Geheimnis und keiner merkt etwas davon, niemand bekommt mit, wenn wir „üben“.
An diesem Schatz möchte ich gerne viele teilhaben lassen.
LLL: Zur ISMAKOGIE finden viele Menschen aufgrund ihrer Haltungs- und Rückenprobleme. Was sind hier die Hauptursachen?
CR:Leider ist es bei uns Menschen meistens so, dass wir erst aktiv werden, wenn es richtig weh tut. Im Grunde ist Ismakogie eine präventive Methode, die, wie unsere TeilnehmerInnen immer wieder äußern, schon in der Schule gelehrt werden sollte. Dann hätten wir später sicher weniger der o.g. Probleme. Da es nun einmal ist wie es ist, sage ich meinen TeilnehmerInnen, Schadensbegrenzung ist immer noch möglich. Nach meiner Wahrnehmung führen viele unterschiedliche Faktoren zu körperlichen Beschwerden, so zum Beispiel berufs- und gewohnheitsbedingte Fehlhaltungen über längere Zeiträume, Bewegungsmangel bzw. –armut, Stress, Unwissenheit bzw. unzureichende Kenntnisse über körperliche Zusammenhänge sowie Unachtsamkeit dem eigenen Körper gegenüber.Hinzu kommt, hat „Mensch“ Beschwerden, geht er zum Arzt oder Physiotherapeuten oder zur Massage und möchte behandelt werden, nach dem Motto: mach mal, dass es mir wieder besser geht. Wenn sie dann hören, dass auch ihre Eigeninitiative gefragt ist, sie eine eigene Verantwortung für ihr Wohlbefinden übernehmen können oder sollen, wird nach dem nächsten Fachmann gesucht. Mit anderen Worten, häufig fehlt die Bereitschaft, selbst aktiv zu werden. So wird gewartet, das oder die Probleme werden schlimmer und irgendwann kann es dann zu spät sein, dann ist z.B. ein Gelenk dauerhaft geschädigt.
Mit Ismakogie kann und soll man natürlich auch aktiv werden, doch der Alltag bietet hier vielfältige Möglichkeiten, es ist wie nebenbei.
LLL: Für wen würden Sie die ISMAKOGIE empfehlen? Welche Rollen spielen dabei Alter und Gesundheitszustand?
CR:Ismakogie kann man unabhängig vom Alter und auch mit bereits vorhandenen Einschränkungen praktizieren.Eine Kollegin arbeitet mit Ismakogie z.B. im Rehasport und die TeilnehmerInnen bestätigen ihr, dass sie dadurch Erleichterungen bei ihren täglichen Verrichtungen erfahren. So kann beispielsweise eine ihrer Teilnehmerinnen inzwischen wieder Rad fahren und somit am gesellschaftlichen Leben aktiv teilnehmen, was ihr vorher nicht mehr möglich war.
Es berichten viele TeilnehmerInnen, dass ihre Beweglichkeit und Koordination zugenommen hat, dass das Treppe Steigen auf einmal kein Problem mehr ist, das Warten in der Schlange keinen Stress mehr verursacht. Und diese Aussagen ziehen sich durch alle Altersklassen, d.h. ältere Menschen jenseits der 60 aber auch jüngere ab Mitte/Ende 20 erfahren das gleiche. Dabei ist generell zu beobachten, dass viele jüngere Menschen Probleme mit ihrem Bewegungsapparat haben, die die Generationen vor ihnen in diesem Alter nicht hatten bzw. kannten. Was einen Blick auf unsere Gesellschaft und ihr Arbeitsumfeld, das Bewegungsverhalten im allgemeinen und unsere Freizeitaktivitäten bieten könnte.
Auch Selbsthilfegruppen sind inzwischen auf Ismakogie aufmerksam geworden. Denn obwohl manche Menschen starke Einschränkungen z.B. durch Parkinson hinnehmen müssen, kann Ismakogie Erleichterung bringen. Durch die sehr kleinen, häufig nur gedachten Bewegungen ist oft noch eine ganze Menge möglich oder wird wieder möglich. Das Gefühl, in solch einer Lebenssituation persönlich Einfluss nehmen zu können, hat natürlich einen positiven Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden.
Natürlich hat jede/r TeilnehmerIn eine eigene Disposition und die möglichen Ergebnisse können daher nicht verallgemeinert werden. Es lohnt sich jedoch in jedem Fall!
LLL: Durch die in Kursen erlernten ISMAKOGIE-Übungen werden – sofern sie regelmäßig angewendet werden – Haltungsfehler korrigiert und Rückenschmerzen vorgebeugt bzw. verbessert. Welche weiteren positiven Veränderungen können die Teilnehmer feststellen?
CR:Frau Professor Anne Seidel, die Begründerin der Ismakogie, sagte immer: „Dauereinsatz bringt Dauerwirkung“. Und genau das ist mit Ismakogie möglich, sogar leicht umsetzbar. Wie Sie sich denken können, ist hier der Alltag gemeint: ich weiß/habe gelernt und erfahren, wie ich etwas anders machen kann, erinnere mich daran und tue es dann auch. Spürt man am eigenen Körper, dass sich etwas positiv verändert, freut man sich nicht nur über weniger Schmerzen, man ist auch – berechtigt – stolz auf sich, zufrieden mit sich selbst. Sie nehmen selbst Einfluss auf Ihr Wohlbefinden, körperlich und letztendlich seelisch/geistig. Und es geht nicht nur um Rückenschmerzen, sondern ebenso Schmerzen/Beschwerden in allen anderen Bereichen des Körpers. Auch hier passt ein Zitat von Anne Seidel: „Wir schaffen nichts als die Ordnung“, und das ist ganz im Sinne der Anatomie und der Möglichkeiten des/der Betreffenden gemeint. Ist die innere Ordnung wieder hergestellt, hat man nach außen mehr Aktionsspielraum und das mit der größtmöglichen Leichtigkeit.Wie ich in der Frage zuvor schon angedeutet habe, spielt die wieder gewonnene oder besser wieder erkannte Eigenverantwortung im Falle einer schweren Vorerkrankung ebenso eine große Rolle. Rein körperlich kann man selbst vielleicht nicht mehr viel tun, aber über das Denken, das Wollen noch einiges erreichen. Und wenn es manchmal nur das Gefühl ist, es wenigstens versucht zu haben. Obwohl ich persönlich schon Dinge miterleben durfte, die fast unmöglich schienen.
LLL: Noch einmal zurück zu den Übungen in der ISMAKOGIE: Diese werden als sehr alltagstauglich und leicht durchzuführen beschrieben. Kann ich sie wirklich überall anwenden? Und wie regelmäßig sollte ich die erlernten Übungen wiederholen, um eine positive Veränderung zu erfahren und zu bewahren?
CR:Alle Ismakogie-Übungen bleiben im physiologischen Bereich, d.h. sie können ausgeführt werden ohne Schaden anzurichten. Und hat man sie einmal erlernt und erfahren (und das kann schon nach der ersten Übungsstunde sein), können sie tatsächlich überall im täglichen Leben angewandt werden – sofern man denn daran denkt! Im Unterricht erlebt man veränderte Bewegungen und Bewegungsabläufe, macht sie langsam und bewusst. Diese möchte man nun in den Alltag umsetzen. Das Problem ist nun, dass unser Gehirn gewohnte Bewegungen als fertige Muster abgespeichert hat und jedes Mal, wenn man eine dieser Handlungen machen will, uns diese Muster als erstes angeboten werden. Man muss also erst ein neues, besseres Muster anlegen, das braucht viele Wiederholungen. Und hier bietet sich gerade der Alltag an, er liefert uns unzählige Gelegenheiten ein neues Muster zu schreiben, aber man muss aktiv daran denken – siehe oben! Ein weiteres anfängliches Problem ist manchmal, dass wir Menschen so sehr auf Leistung und Anstrengung konditioniert sind. Dadurch kommt es vor, dass man sich am Anfang zu sehr ins Zeug legt und/oder auch noch nicht ganz überzeugt ist, dass diese kleinen, fast unsichtbaren Bewegungen/Übungen etwas bewirken können. Die Devise ist jedoch „weniger ist mehr“! Wenn man sich mit der Zeit darauf einlässt, stellen sich erste Erfolge recht schnell ein. Und wie bereits erwähnt ist das Ziel, dass die Übungen größtenteils zu unseren neuen Mustern werden. Sprich: wir machen viele Bewegungen/Haltungen später ganz unbewusst anders. Die Hirnforschung erklärt gut nachvollziehbar, warum Ismakogie funktioniert.