Etwas mehr Hirn, bitte – von Gerald Hüther

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Etwas mehr Hirn, bitteFür den Weihnachtsurlaub hatte ich mir das neue Buch von Prof. Gerald Hüther „Etwas mehr Hirn, bitte“ als Lektüre eingepackt. Wie sich herausstellen  sollte eine gute Wahl. Im Untertitel heißt es eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten.  Ein wichtiges Thema und vielleicht finden sich hier die Antworten, warum dies heute so selten geschieht, welche Voraussetzung dafür geschaffen werden müssen und welche Auswirkungen diese Veränderungen auf das Zusammenleben der Menschen haben werden.

Das Buch ist sehr gut verständlich geschrieben, auch Nicht-Wissenschaftler können die Inhalte gut nachvollziehen. Durch den kurzweiligen Schreibstil liest sich das Buch flott und teilweise sogar amüsant, obwohl die Inhalte nicht leicht verdaulich sind. Worum geht es?

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Der erste Teil befasst sich mit dem Leben als erkenntnisgewinnender Prozess und warum wir in unseren Gesellschaften derzeit so viele Probleme haben. Hüther beschreibt woran sich unser Denken orientiert, wie wir zu Erkenntnissen über uns, andere Menschen und die Welt an sich gelangen. Anschaulich erklärt er, welche Prozesse im Gehirn dafür verantwortlich sind, dass wir uns so entwickeln, wie wir uns entwickeln. Menschen funktionieren nicht wie Maschinen, sondern haben eigene Absichten und  verfolgen eigene Ideen.  Die Menschen und die Welt als Objekte zu betrachten, bedingen seiner Ansicht nach einen großen Teil der heute bestehenden Probleme im Zusammenleben zwischen Einzelnen und auch ganzen Nationen.  Wir sind bei der Umsetzung unserer Ideen auf andere Menschen und auch alle anderen Lebensformen angewiesen, allein kommen wir nicht zum Ziel wie man jeden Tag feststellen kann.

Im zweiten Teil geht es um die Strukturierung des menschlichen Gehirns schon vor der Geburt und später durch soziale Erfahrungen. Hier erläutert Hüther, wie sich das Gehirn ständig verändert. Es strebt nach Kohärenz,  will also neue Erfahrungen bestmöglich mit bereits vorhandenen in Einklang bringen, um seinem „Energiespar-Modus“ möglichst nahe zu kommen. Den erreicht das Gehirn allerdings nur, wenn alles konfliktfrei und ohne Widersprüche einzuordnen wäre. Das Gehirn verändert sich also ständig, unser Leben lang, aufgrund der Erfahrungen, die wir jeden Tag sammeln. Dies erklärt, warum Menschen Dinge oder Ansichten, die nicht in ihr Weltbild passen, einfach ausblenden. Ignoranz ist einer von mehreren beschriebenen Wegen zur Kohärenz, hilft jedoch meist nur vorübergehend… Hüther beschreibt, dass die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Autonomie die Basis für Lernen und sich Weiterentwickeln mit Freude bilden – ganz im Gegensatz zum heute weit verbreiteten Wettbewerbsdenken.

Im dritten und letzten Teil geht es um die Potentialentfaltung in menschlichen Gemeinschaften. Hier plädiert Hüther für neue Wege des Miteinanders. Zunächst beschreibt er die heutige Gesellschaft mit ihren für das Gehirn nicht optimalen Bedingungen. Wir Menschen benötigen andere Menschen, um in der Gemeinschaft unter positiven Rahmenbedingungen, wie Wohlwollen und Ermunterung, unsere Potentiale zu entfalten. Er greift hier nochmals auf die Begriffe Objekt und Subjekt aus dem ersten Teil auf und plädiert dafür neue Formen des Zusammenlebens und –lernens zu finden.  Wenn Menschen einander als Subjekte mit Ihren Wünschen, Absichten und Ideen wahrnehmen und einander  Wertschätzung entgegenbringen, sich ermutigen Neues auszuprobieren, wird der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten möglicherweise der Weg in eine weniger problembehaftete Zukunft geebnet. Ein paar Gedanken zum eigenen Beitrag dazu  sollte man sich durchaus machen, sie sind sicher gut investiert.

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